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Spannende Trainersuche: Wer bringt Eintracht endlich auf Kurs?

Fußball-Zweitligist Eintracht Braunschweig hat es auch in der abgelaufenen Saison nicht geschafft, seinen Fans eine sorgenfreie Spielzeit zu bescheren.
Interimsweise übernahm zunächst Marc Pfitzner, Vereins-Ikone und bisheriger Co-Trainer der Profis, die sportliche Leitung als verantwortlicher Chef-Coach.   

Fußball-Zweitligist Eintracht Braunschweig 

hat es auch in der abgelaufenen Saison nicht geschafft, seinen Fans eine sorgenfreie Spielzeit zu bescheren.

Noch schlimmer – der Traditionsklub schaffte nicht einmal in der regulären Runde den direkten Klassenerhalt, sondern musste als 16. der Abschlusstabelle der 2. Bundesliga im Abstiegskampf nachsitzen und gegen den Drittliga-Dritten in der Relegation antreten. Ein Horror-Szenario für die treuen, leidgeprüften Anhänger der Blau-Gelben.

Nach den forschen Tönen von Cheftrainer Daniel Scherning vor dem Start in die Saison 2024/2025, um mehr als nur um den Tabellenplatz 15 mitspielen zu wollen, ging dieses Unterfangen völlig in die Hose. Bereits die Hinrunde war für Eintracht nach großem personellen Umbruch und vier Pleiten in Folge zum Auftakt in die neue Spielzeit mehr als enttäuschend verlaufen und so steckte der Fußball-Meister von 1967 schon frühzeitig mitten im Abstiegskampf in Liga 2. Der BTSV überwinterte nach schwachen Leistungen mit 13 Punkten aus 17 Spielen auf dem vorletzten Tabellenrang – und somit auf einem direkten Abstiegsplatz. Diese misslungene erste Saisonhälfte hätte Coach Scherning bereits fast den Job gekostet. Mit einigen Winter-Neuzugängen wie unter anderem Torhüter Ron-Thorben Hoffmann und Mittelfeld-Akteur Lino Tempelmann von Ligarivale Schalke 04, die sich als echte Verstärkungen und absolute Leistungsträger herauskristallisierten, setzte zunächst die gewünschte Stabilität in der Eintracht-Mannschaft ein und es konnten wichtige Punkte im Kampf um den Klassenerhalt gesammelt werden.

Doch nach dem 26. Spieltag machte sich erneut Untergangsstimmung im weiten Rund des Eintracht-Stadions breit. Im Heimspiel gegen Hertha BSC präsentierte sich eine erschreckend schwache Scherning-Elf, die auch die anstehenden Aufgaben gegen Aufstiegskandidaten unlösbar erscheinen ließ. So beriet Eintracht Braunschweigs Chefetage zum zweiten Mal über einen Rauswurf von Cheftrainer Daniel Scherning – und zum zweiten Mal entschied man sich dagegen, sprach dem Coach weiterhin das Vertrauen aus und Scherning sprang der Entlassung erneut von der Schippe. Nach dem desaströsen 1:5 gegen die ebenfalls gefährdete Hertha aus Berlin zeigte sich der BTSV auch stark formverbessert und es lief plötzlich blendend. Mit der Frühlingssonne im April kehrte der sportliche Erfolg an die Hamburger Straße zurück und mit einer beeindruckenden Siegesserie war der Traditionsklub auf dem besten Weg, auch künftig zweitklassig zu spielen. Die Eintracht-Löwen holten beachtliche Siege gegen die Top-Teams der Liga und wähnten sich bereits in Sicherheit. Der SC Paderborn 07 wurde mit 3:2 besiegt, der Erstliga-Aufsteiger Hamburger SV auswärts mit 4:2 aus dem Volkspark geschossen. Auch gegen den 1. FC Kaiserslautern holten die Scherning-Schützlinge einen souveränen 2:0-Sieg. Mit den sechs ungeschlagenen Partien, in denen das Eintracht-Team zwölf Punkte sammelte und sich fünf Zähler Vorsprung auf den Relegationsplatz erarbeitete, habe man sich überhaupt nur in die Position gebracht, am letzten Spieltag auf den direkten Klassenerhalt hoffen zu dürfen. Auf der Zielgraden der Saison hatten die Blau-Gelben alles wieder in der Hand und beste Chancen, die Klasse aus eigener Kraft zu halten. Auch die Zukunft von Übungsleiter Scherning schien gesichert, alles sprach sogar für eine Vertragsverlängerung des am 30. Juni 2025 auslaufenden Kontraktes. Doch plötzlich wurde den Löwen der Stecker gezogen.

Ausgerechnet in der „Crunchtime“ der 2. Bundesliga versagten den Braunschweigern die Nerven. Zwar gab es noch zwei Unentschieden bei Absteiger Jahn Regensburg (1:1) und gegen Fortuna Düsseldorf (2:2), das große Problem waren jedoch die letzten beiden Spieltage und das Abrutschen auf den Relegationsplatz 16 durch unerwartete Siege des ärgsten Abstiegskonkurrenten Preußen Münster, der sich zwischenzeitlich am BTSV auf den 15. Tabellenrang vorbeigeschoben hatte. Gegen Elversberg und Nürnberg ging dann gar nichts mehr bei den Eintracht-Kickern. Nach einem katastrophalen Auftritt und einer sportlichen Bankrotterklärung im ersten Abschnitt setzte es in der Auswärtspartie bei der SV Elversberg eine peinliche 0:3-Klatsche, am finalen Spieltag hatte es die Scherning-Elf trotzdem noch selbst in der Hand, den SC Preußen Münster hinter sich zu lassen. Ein Sieg zu Hause gegen den 1. FC Nürnberg von Club-Coach und Weltmeister Miroslav Klose und man wäre durchgewesen. Bekanntlich kam es aber ganz anders. Im Endspiel um den direkten Klassenerhalt bekam der deutsche Meister von 1967 gegen die Franken, für die es zum Saisonende im Tabellenmittelfeld um nichts mehr ging, im ersten Durchgang eine richtige Packung. Gegen die Klose-Eleven wirkte die Eintracht klinisch tot. Wie gelähmt verspielten die Löwen schon in Halbzeit 1 alle Chancen auf den rettenden 15. Tabellenplatz. Auch Trainer Scherning wirkte dabei hilf- und fassungslos.

Dieser ohne Zweikampfhärte, völlig verkrampfte und fußballerisch indiskutable Auftritt, der eine Zumutung war, sorgte nicht nur für blankes Entsetzen beim treuen Eintracht-Anhang, sondern auch der Aufsichtsrat des BTSV hatte sich nach der schockierenden Vorstellung gegen den „Club“ zusammengesetzt und war schließlich zu dem Entschluss gekommen, den 41-Jährigen Cheftrainer noch vor den Relegationsspielen gegen den 1. FC Saarbrücken von seinen Aufgaben zu entbinden. „Uns ist die Entscheidung nicht leichtgefallen, weil wir bis zuletzt die grundsätzliche Überzeugung hatten, dass wir unser Saisonziel Klassenerhalt erneut gemeinsam mit unserem bisherigen Trainerteam erreichen werden. Nach den deutlichen Niederlagen in Elversberg sowie gegen den 1. FC Nürnberg – besonders aufgrund der Art und Weise unserer Auftritte – haben wir diese Überzeugung jedoch verloren“, erklärte Sport-Geschäftsführer Benjamin Kessel zur Beurlaubung von Daniel Scherning. Bei zu vielen Akteuren im und um den Verein gab es diesmal zu viele Zweifel an Scherning, als dass man unter seiner sportlichen Leitung noch die Kurve bekommen könnte. Auch die eigenen, leidgeprüften Fans hatten die Schnauze voll – die letzten beiden Saisonspiele waren so unterirdisch, dass es selbst den eingefleischten Anhängern an Phantasie und Glaube fehlte, in der Relegation den Abstieg noch verhindern zu können. Mit Coach Scherning, der Anfang November 2023 das Team abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz übernommen hatte und dank einer furiosen Aufholjagd in der letztjährigen Rückrunde noch den Klassenerhalt in der Vorsaison sichern konnte, wurden auch Co-Trainer Andreas Zimmermann und Torwarttrainer Milenko Gilic mit sofortiger Wirkung von ihren Aufgaben freigestellt. Interimsweise übernahm Marc Pfitzner, bisher Co-Trainer der Profis, als Chef-Coach die Betreuung der Mannschaft.

Für die BTSV-Verantwortlichen steht in den nächsten Wochen neben der Trainersuche auch die Zusammenstellung einer neuen Mannschaft auf der Agenda, da zum Saisonende insgesamt 15 Verträge der Eintracht-Profis auslaufen. Der Verlust von Torjäger Rayan Philippe ist unvermeidlich, hochwertiger Ersatz muss her – und das für möglichst kleines Geld. Einige Spieler machten ihren weiteren Verbleib an der Oker bisher auch mit der Zukunft von Daniel Scherning abhängig.Viel zu tun also für Sportchef Kessel, um die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft bei der Eintracht zu stellen und zum Saisonstart einen wettbewerbsfähigen Kader zu präsentieren. Noch ist es ruhig in der Gerüchteküche.

Einige Fans fordern auch eine Veränderung im Verein. Zu tief sitzt der Frust – auch über die Führungsebene. Nicht nur in den sozialen Medien häufen sich schon diverse Forderungen. „Ich hoffe, dieser Verein wird komplett überarbeitet. Neue Struktur im Aufsichtsrat und im Vorstand“, schreibt zum Beispiel ein Nutzer. „Wir haben seit Jahren keine Strategie für unseren Verein. Wo ist die langfristige Planung?“, sind weitere Äußerungen auf den Social Media-Kanälen. Eine spannende Sommerpause steht den Vereins-Verantwortlichen bevor, in der eine konsequente Aufarbeitung in jedem Fall erfolgen muss. Denn in nun drei Zweitligajahren seit dem letzten Aufstieg ist die Eintracht keinen Schritt vorangekommen. Ganz im Gegenteil: Sie stand seitdem noch nie so nah am Abgrund wie in dieser Saison.  (Thorsten Schoone)

Torjäger Rayan Philippe steht in den Notizblöcken mehrerer Bundesligisten und wird die Eintracht verlassen.                                

Foto:oh/ ts